BLACK OUT
Die Körper-Fragmente sind als experimentelle und formale Zergliederung bewusst angelegt.
Das Fragment ist Ergebnis eines BLACK OUTS und enthält die Möglichkeit der Erneuerung des Ganzen.
Das Fragment/Black Out ist die letzte und einzige Spur einer verlorenen geglaubten Totalität, die anhand des Rests imaginär wiederherstellbar ist.
Menschliche Fragmente erinnern an Leichenteile und können als emblematische Manifestation des Todes gelten.
Es bleibt mit der Totalität, aus der es herausgenommen wurde, verbunden und verweist auf sie. Der Verweis ist in gegenläufige Zeitrichtungen angelegt: Das Fragment weist sowohl auf etwas Vergangenes, Ruinöses und Defizitäres (wie ein Torso) als auch auf etwas Unvollendetes, Künftiges, nur Geplantes (wie die Skizze oder der Entwurf).
Die Rezeption eines Fragments bleibt zwangsläufig selber bruchstückhaft:
Ein vollständiges und gleichzeitiges Erfassen aller Aspekte ist unmöglich, weil die Wahrnehmung nur partiell und nur subjektiv ist. Der Black Out und in dessen Folge das Fragment erfordern eine assoziative Ergänzung seitens des Rezipienten,weil in der Vorstellung unwillkürlich das Ganze die Priorität hat. Die Konzentration zielt auf das, was fehlt oder auf das, was allein übrig geblieben ist:
Der Betrachter muss sich einen zurückgelassenen Rest denken, ein Verschwinden vorstellen.
Dabei reagiert der Betrachter oft heftig auf den zergliederten Körper. Johann Wolfgang Goethe lässt beispielsweise in seinem Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre die Hauptgestalt bei der Betrachtung von anatomischen Wachsplastiken feststellen, dass die Zergliederung des menschlichen Körpers für die meisten „gesitteten, wohldenkenden Menschen …. immer etwas Kannibalisches“ habe, dass sowohl das ausgewogene Proportionsverhältnis der Teile untereinander als auch zum Ganzen zerstört. Außerdem breche der fragmentierte Körper auf widernatürliche Weise mit dem Erinnerungsbild der einheitlichen Natur des Menschen, welches selbst noch im toten Körper vorhanden sei.
In dieser Lesart werden Körperfragmente als Zustandsbeschreibung eines Black outs zu Metaphern für die psychologische, soziale, politische und physische Bedrohung des Individuums.
©SURIA KASSIMI 2009